Sein oder Nicht-Sein, das ist keine Frage….

Eine innere Sehnsucht, die uns umhertreibt. Immer irgendwie auf der Suche, rastlos und nie wirklich zufrieden. Sogyal Rinpoche benutzt oft das Bild: ” Es ist als würden wir den Fußspuren eines Elefanten in die falsche Richtung folgen und nicht erkennen, dass er bereits zu Hause ist.”

Was ist der Unterschied zwischen Freude und Spaß? Spass ist oft etwas Kurzlebiges, Ruheloses. Oft erleben wir den Kater danach und es verlangt schnell nach dem nächsten Kick, der nächsten Stimulation. Freude ist etwas, was von Innen kommt, nachhaltig nährt und Ruhe bringt.

Hier in einem kleinen Dorf in Kroatien erlebe ich die Einfachheit des Seins. Die Menschen gehen ihren täglichen Arbeiten nach und strahlen dabei eine tiefe Zufriedenheit aus. Sie tun, was sie tun und freuen sich über alltägliche Dinge oder ein kurzes Treffen mit dem Nachbarn. Es herrscht eine gewisse Unaufgeregtheit, die für mich als Stadtmensch zum Einen sehr beruhigend wirkt, aber auch eine gewisse Nervosität auslösen kann.

Da sitze ich im Haus von Freunden nach einem ausgiebigen Spaziergang, trinke einen warmen Tee und beobachte das Treiben in der Küche und im Garten. Und nun fragt mein unruhiger Geist:”Ich kann doch hier nicht einfach nur sitzen?” Ich spüre wie sich ein Unbehagen breit macht, dass ich einfach nur hier bin, während andere um mich herum ihrer Arbeit nachgehen. Ich ertappe mich dabei, wie ich gerne ausbrechen möchte, indem ich vielleicht etwas Schlaues anbringe oder eine gewisse Geschäftigkeit vortäusche, dass mein Hiersein nicht “nutzlos” ist. Doch keinen außer mir scheint es zu stören. Man unterhält sich und dann geht jeder auch wieder seinen Dingen nach und genießt die Zeit für sich, ohne dass ständig Konversation getätigt werden muss.

Man muss sich selbst aushalten können. Ich fühle immer mehr eine Befreiung darin, einfach ich selbst sein zu können und in mir zu ruhen ohne Drang nach mehr. “Fühl Dich einfach wohl und mach es Dir bequem.” höre ich immer wieder mit einem freundlichen Lächeln. Und dann sind da wieder die Momente, in denen ich nach Ablenkung suche, einer Aufgabe. Ich bekomme frische Knoblauchzehen in die Hand, die ich draußen in einem Beet einpflanzen kann. Ich habe eine Aufgabe, zumindest für einen Moment. Nach kurzer Zeit bin ich wieder im Haus und wärme mich vor dem Kamin auf. Während ich die Flammen in Ihrem Tanz beobachte, wird mir bewusst, wie ich ganz tief in mir noch immer einen Anteil habe, der glaubt, nicht genug zu sein oder sich Zuneigung erstmal verdienen zu müssen. “Sei einfach Du selbst, Alexa.” sagte ein guter Freund erst vor ein paar Tagen. Mein Herz begann sofort zu schmelzen bei diesen ehrlich gemeinten Worten. Und fast ungläubig sah ich ihn an, weil es viel zu selten vorkommt, dass das Gegenüber nicht versucht, einem irgendetwas überzustülpen oder zu verurteilen.

Ist es nicht wie in einer erfüllten Partnerschaft? Ein entspanntes Beisammensein, weil man gut mich sich selbst sein kann und sich endlich aus der Erwartungshaltung “der andere sei die Lösung aller Probleme und Zuständig für mein Glück” befreit hat. Das endlose Streben nach einer Bestätigung der Zuneigung oder Anerkennung des Partners ist weitesgehend erlöst. Anstatt jeden Tag Sex zu haben, um die Beziehung als solche und in ihrer Existenz zu bestätigen, liebt man sich vielleicht nur alle paar Wochen oder sogar alle paar Monate, doch das nährt und erfüllt nachhaltig und anhaltend. Die Liebe und Zuneigung findet plötzlich Ausdruck über ein tiefes Vertrauen, ehrliche und liebevolle Kommunikation und tiefer Freude aneinander.

Was hat das alles mit Yoga zu tun? Das Yoga ist für mich zu einem Synonym für das Leben geworden, denn am Ende ist doch alles Yoga. So wie wir unseren Alltag leben, so praktizieren wir. Oder “So wie wir atmen leben wir. Und so wie wir leben atmen wir.”

Wir wechseln die Partner sowie wir Yogastile wechseln und Lehrer wechseln. Anstatt eine Sache zu vertiefen, gehen wir lieber schnell zum Nächsten, um uns nicht mit unseren inneren blinden Flecken konfrontieren und auseinandersetzen zu müssen.

Wir verausgaben uns oft bis aufs Äußerste, trotz bereits vorhandener Erschöpfung, um am Ende in die langersehnte Entspannung förmlich zu kollabieren und komplett abzudriften. Selbst im Yoga lassen wir uns kaum Zeit zu fühlen und nach Innen zu lauschen, sondern hetzen durch alle möglichen Übungen, als wäre auch das ein Punkt auf unserer To-Do-Liste, den es noch abzuarbeiten gilt. Nach einer Yogastunde fühlen wir uns dann euphorisch, fast ein  bisschen high, was den Ausdruck des Power Yoga Erfinders Bryan Kest bestätigt: “Become stoned of breath!”

Und der Drang nach der nächsten Yogaklasse ist spürbar und bereits geplant. Bloß keine Zeit verlieren!

Was suchen wir eigentlich? Was treibt uns so an? Suchen wir Stimulation, um uns selbst lebendig zu fühlen und uns zu erinnern, dass wir leben? Erleben wir die Stimulation als einen Trip, der immer wieder nach dem nächsten Kick verlangt? Oder ist es gar nicht die Suche, die uns treibt, sondern vielmehr eine Flucht. “Überall nur nicht hier” ist das Motto unseres unruhigen Geistes.

Ich kenne sowohl die Suche, als auch die Flucht. Erst als mich das Leben so richtig auf den Hosenboden setzte und ich das Gefühl hatte, in meinem Alltag wie in einem Käfig eingesperrt zu sein, erkannte ich, wie sehr ich all die Jahre trotz tiefer Arbeit an mir selbst, vor einer ganz tiefen Wunde in mir versuchte zu fliehen. In der Einfachheit in Kroatien, in der Natur wurde mir klar, wie sehr das urbane Leben mich von dem Wesentlichen Dingen des Lebens distanziert hatte. Hier in der Stille des kleinen Dorfes fällt mir plötzlich ein Schleier von den Augen, wie reich doch die Menschen hier in der scheinbaren Armut sind und wie arm wir doch in der scheinbaren reichen Großstadt sind.

Es wird heutzutage so viel über Nachhaltigkeit  und Erwachen gesprochen, doch ist so vieles, was wir tun weit davon entfernt, nachhaltig zu sein. Wir finden trotz allen Versuchen keine Ruhe und Entspannung. Der nächste Partner entpuppt sich wieder als ein zehrendes Drama, der neue Yogastil langweilt uns auch bald wieder ect. Wir sind weder nachhaltig glücklich noch satt. Was bedeutet Glück für uns?

Vielleicht geht es nur mir so und Ihr fragt Euch, wo das Problem ist. Es ist kein Problem, solange man glücklich und zufrieden ist, indem was man tut. Aber wie sagte Einstein so schön: ” Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und ein andere Ergebnisse zu erwarten.”

In dem Moment, als ich alle Möglichkeiten erschöpft hatte, die äußere Situation, in der ich mich in meinem Leben befand,  zu verändern und bereit war, zu akzeptieren, was nicht in meiner Macht lag, war ich herausgefordert, mich selbst zu verändern. Und plötzlich erkannte ich, dass der gefühlte Käfig aus meinen eigenen Glaubenssätzen und weggedrückten tiefen Verletzungen selbst kreiert war. Erst als ich diesen Anteilen in mir mit tiefer Liebe und Verständnis begegnen konnte, wurden sie für mich klar und konnten heilen. Ich erfuhr eine tiefe Ruhe und Lebendigkeit und die Suche nach ‘mehr’, sowie die Flucht erübrigten sich von allein. Mit dem Befreien tiefer Emotionen, kamen plötzlich Einsichten, neue Inspirationen und eine innere Raum öffnete sich. Endlich konnte ich mich einfach wohlfühlen und es mir bequem machen und ich sein, ob in einem kleinen Dorf in Kroatien oder im Dschungel der Großstadt. Diese Erfahrung mit anderen zu teilen erlebe ich als tiefe Freude und  bedeutet Glück für mich.